Wenn sich der Regen über die Baumkronen legt und der Geruch von feuchter Erde die Luft erfüllt, beginnt für Hannah Assil der schönste Moment des Tages. „Ich liebe Regenwetter“, sagt sie und lächelt. „Da sind alle anderen schon weg, und ich bin die Einzige, die sich freut.“
Für sie sind das die Momente, in denen die Welt stiller wird und die Natur ihren eigenen Rhythmus zeigt. Hannah ist Rangerin, Wildtierfotografin und Naturvermittlerin – jemand, der nicht einfach hinausgeht, um zu fotografieren, sondern um zu verstehen. „Ich gehe nicht jeden Tag mit der Kamera raus“, erzählt sie. „Manchmal möchte ich einfach nur draußen sein, ohne etwas festzuhalten. Ich will erst fühlen, bevor ich sehe.“
Bekannt wurde die Österreicherin durch ihre Teilnahme an der Survival-Serie 7 vs. Wild. Zwei Wochen lebte sie zu zweit und Äffchen in der Wildnis – ohne Komfort, ohne Ablenkung, nur sie und die Elemente. In der ersten Nacht trat ein Wolf aus der Dunkelheit, kaum drei Meter entfernt. „Ich hatte Angst, klar“, sagt sie. „Aber auch Gänsehaut. Ich wollte immer schon Wölfe sehen – das war magisch.“
Der Wolf begleitet sie seither als Symbol. „Er ist mein Spiritual Animal“, erzählt sie. „Er steht für Freiheit, Intuition, Stärke – aber auch für die Angst, die man zulassen darf. Ich glaube, Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern mit ihr zu gehen.“
Diese Haltung prägt auch ihre Fotografie. Hannahs Bilder zeigen keine exotischen Safari-Szenen, sondern die kleinen, stillen Momente, die leicht übersehen werden. „Ich will keine Distanz zwischen Menschen und Tier schaffen. Es geht mir darum, Nähe zu zeigen – und Respekt.“
Schon als Kind war sie fasziniert vom Leben draußen. Mit ihrer Mutter sammelte sie Froschlaich und beobachtete, wie sich die winzigen Kaulquappen verwandelten. „Diese Entwicklung mitzuerleben hat mich total geprägt“, erinnert sie sich. „Da habe ich verstanden, dass alles miteinander verwoben ist.“
Heute vermittelt sie genau dieses Bewusstsein weiter. Auf Instagram teilt sie ihre „Daily Dose of Wildlife“ – liebevoll erzählte Tierporträts, die Wissen mit Gefühl verbinden. Jeden Sonntag stellt sie ihren Followern ein Tierquiz: „Viele schreiben mir, dass sie beim Spazieren jetzt genauer hinschauen oder mit ihren Kindern raten. Das ist für mich der schönste Erfolg.“
Für Hannah ist Fotografie kein Job, sondern eine Haltung. „Ein technisch perfektes Foto kann leer sein“, sagt sie. „Ein gutes Bild berührt. Es transportiert ein Gefühl, nicht nur ein Motiv.“
Eines ihrer Lieblingsbilder zeigt drei arabische Oryx, die fast im Sand verschwinden. Sie nennt es Ghosts of the Desert. „Viele sahen darin Wächter einer anderen Welt“, erzählt sie. „Für mich war es der Moment, in dem alles gestimmt hat – Licht, Stille, Bewegung. Mehr braucht es nicht.“
Doch Hannah findet ihre Geschichten nicht nur in fernen Landschaften. Sie verbringt immer wieder Zeit am Neusiedlersee, wo sie seit Jahren den Wandel der Natur beobachtet. Dort spürt sie den Wandel einfach am intensivsten. „Ich sehe weniger Vögel als früher“, sagt sie nachdenklich. „Aber ich sehe auch Hoffnung. Immer mehr Menschen fangen wieder an, hinzuschauen.“
Moral will sie dabei nicht predigen. „Ich glaube, Begeisterung ist viel stärker als Belehrung“, sagt sie. „Wenn du dich einmal in etwas verliebt hast – sei es ein Tier, ein Ort, ein Wald – dann willst du es automatisch schützen.“
Für sie beginnt Naturschutz im Herzen.
Ihr nächster Traum? Ein Vogel, der wie aus einer anderen Welt scheint: die Harpyie. „Als Kind dachte ich, das sei ein Fabelwesen, halb Mensch, halb Vogel“, sagt sie und lacht. „Bis ich herausgefunden habe, dass es sie wirklich gibt. Sie ist mächtig, wunderschön – und ich hoffe, dass ich sie eines Tages fotografieren darf.“
Vielleicht ist sie dann wirklich das, was manch einer in ihr sieht: eine Art Disney-Prinzessin des Waldes – nur ohne Kleidchen. Und mit Kamera.